Alkohol in der Schwangerschaft

Alkohol in der Schwangerschaft: Warum jetzt jedes Glas zuviel ist

Das sprichwörtliche Gläschen Sekt, mal ein kleines Bierchen – das soll schaden? Umfragen belegen: Die Gefahr, die bereits von mässigem Alkoholgenuss in der Schwangerschaft ausgeht, wird noch immer unterschätzt – von sichtbaren Fehlbildungen bis zu psychischen Folgeschäden. Laut Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie (BKJPP) liegt in der so genannten fetalen Alkohol-Spektrum-Störung eine Hauptursache für Fehlbildungen.

Fetales Alkoholsyndrom: Physisch wie mental gehandicapt

Jährlich kommt ein Fünftel der Neugeborenen mit fetalem Alkoholsyndrom auf die Welt – eines von 100 Kindern, mit Downsyndrom eines unter 1000. Doch wie schädigt Alkohol Ihr Ungeborenes? Alkohol und seine Abbauprodukte wie Acetaldehyd sind Gifte. Einmal im Blut, passieren Sie den Mutterkuchen und stören die Zellteilung – besonders des sehr sensiblen Zentralen Nervensystems. Wie Dr. Reinhold Feldmann, Universitätsklinikum Münster (vgl. Frauenarzt 53, 2013) beschreibt, tragen etwa 2.600 Neugeborene ein so genanntes Vollbild des fetalen Alkoholsyndroms (FAS): Während ihrer gesamten Embryonal- und Fetalzeit, also der kompletten Schwangerschaftsdauer beeinträchtigt, leiden diese Kinder nihct nur an intellektuellen und sozial-emotionalen Beeinträchtigungen, sondern zeigen auch körperliche Defizite wie:

  • geringeres Geburtsgewicht
  • Gesichtsfehlbildungen (abgeflachtes Mittelgesicht, breiter Nasenrücken, grosser Abstand der Augen)
  • Organfehlbildungen (Atmung, Herz, Leber, Skelett, Muskulatur, Verdauungstrakt etc.)

Hypersensibel: Alkohol und Zentrales Nervensystem

Nicht wenige Säuglinge werden ausserdem mit partiellem Alkoholsyndrom (pFAS) geboren, einer Schädigung des Zentralen Nervensystems. Als Organ mit intensivem Stoffwechsel und Wachstumsrate reagiert das Gehirn von Embryo und Fötus besonders empfindlich auf Alkohol. Leider meint „partiell“ nicht eine abgeschwächte, sondern nur anders ausgeprägte Form, gekennzeichnet durch:

  • soziale/psychische Auffälligkeiten,
  • mangelnde Aufnahmefähigkeit und Gedächtnis,
  • beeinträchtigtes Konzentrations- und Sprachvermögen
  • Probleme von Grob- und Feinmotorik

So oft wie bei keiner anderen Fehlbildung zu finden: Hyperaktivität. Motorisch unruhig und oft nervös, lassen sich solche Kinder nur sehr kurzfristig für eine Aufgabe begeistern, so der BKJPP. Im Kontakt mit anderen impulsiv, fällt es ihnen besonders schwer, ihre Gefühle zu kontrollieren. Probleme tauchen auf? Die Frustrationstoleranz dieser Kleinen ist begrenzt. Leider ist auch die langfristige Perspektive ungünstig: Alkohol in der Schwangerschaft bereitet den Weg für ein Leben, das durch zahlreiche Beeinträchtigungen geprägt ist.

Der erste Monat: Alles oder nichts

Was, wenn ich Alkohol getrunken habe, weil ich noch nichts von der Schwangerschaft wusste? In den ersten vier Wochen heisst es: Alles oder nichts! Jede gravierende Störung mündet in eine Fehlgeburt. Ist alles in Ordnung, ersetzen andere Zellen des embryonalen Zellverbunds die durch Alkohol geschädigten. Der Grund: Die endgültige Zellfunktion ist in diesem Stadium noch nicht festgelegt – einer normalen Entwicklung Ihres Babys steht nichts entgegen! Das ändert sich ab der 5. Woche, denn jetzt startet die Organbildung.

Therapien: Entwicklung positiv beeinflussen

Während sich organische Komplikationen wie Herzfehler zum Teil operativ korrigieren lassen, ist eine Hirnschädigung irreparabel – und auch durch therapeutische Anstrengungen nicht heilbar. Intellektuelle Defizite, die, weil quasi unsichtbar, erst spät erkannt werden. Wo Lebens- und Berufsplanung stark eingeschränkt sind, ist auch im Erwachsenenalter langfristige Betreuung erforderlich. Um die Entwicklung solcher Kinder dennoch positiv zu beeinflussen, ist möglichst frühe Unterstützung wie Verhaltens-, Bewegungs- oder Sprachtherapie entscheidend: Nur Mütter, die sich jetzt offen zu ihrem Alkoholkonsum in der Schwangerschaft bekennen, unterstützen die korrekte Diagnosestellung – und ersparen ihrem Baby weitere sinnlose Untersuchungen.

Nullnummer Alkohol

Wie viel dürfen Sie trinken? Zugegeben: Was eine werdende Mutter verträgt, sprich, wie es um ihre Alkoholtoleranz bestellt ist, ist individuell unterschiedlich. Für Ihr Baby allerdings ist ein winziger Piccolo, ein einziger Schluck zuviel. Denn ein Alkoholgrenzwert ohne Risiko für Ihr Ungeborenes existiert nicht. Ganz gleich, ob nur gelegentlicher, episodenhafter oder chronischer Alkoholkonsum – ein direkter Zusammenhang zwischen Alkoholmenge und Ausmass der Schädigung ist bislang nicht nachweisbar. Sie wünschen sich ein gesundes Baby? Wer neun Monate bewusst verzichtet, ermöglicht seinem Kind den besten Start – in ein erfülltes Leben.